Titel - Mein Kind will nicht lernen, was kann ich tun? Inhalt - verärgertes Kind mit seinen Büchern

Mein Kind will nicht lernen – was kann ich tun?

“Wie kann ich meinem Kind klar machen, dass es lernen muss?”

“Mein Sohn will einfach nicht lernen”

“Wenn ich nicht immer dahinter wäre, würde meine Tochter nie für die Schule lernen”

Solche Aussagen höre ich von der überwiegenden Mehrheit aller Eltern, die sich wegen Lerncoaching an uns wenden. Dabei ist es eigentlich nie so, dass ein Kind (oder auch ein Erwachsener) nicht lernen möchte. Neugier und Wissbegierde sind uns nämlich angeboren. Und tatsächlich meinen die Eltern ausschließlich das schulische Lernen, meist sogar noch enger gefasst, nur das Nacharbeiten von Unterrichtsstoff.

Dabei tun wir uns selbst einen großen Gefallen, wenn wir uns bewusst machen, dass Lernen so viel mehr ist und auf unterschiedliches Weise an ganz vielen verschiedenen Orten stattfinden kann. Denn ich bin überzeugt: jedes Kind will lernen, das müssen wir ihnen weder zeigen noch klar machen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich ein Kind freudig an seine Hausaufgaben setzt oder gern in die Schule geht.

Ganz im Gegenteil schafft es die Schule oft erschreckend schnell, den Kinder des Spaß am Lesen, Schreiben und Rechnen zu verderben. Lernen tun aber auch diese Kinder immer noch eine Menge. Und das gilt des anzuerkennen und zu bewahren. Viele Inhalte und Fertigkeiten sind es wert gelernt zu werden, deshalb gibt es keinen Sinn, nur schulische Inhalte wichtig zu nehmen.

Den Ursachen auf den Grund gehen

Bedeutung haben die schulischen Lerninhalte natürlich trotzdem. Schon allein deswegen, weil sie kontinuierlich überprüft und eingefordert werden. Wer in der Schule nicht den Anforderungen entspricht, hat unter Umständen viel Stress. Und die Eltern dann auch. Wenn die Noten zu schlecht werden, ist das Vorrücken in die nächste Jahrgangsstufe gefährdet. Wenn die Noten dann nicht besser werden, sogar der Verbleib auf einem bestimmten Schultyp.

Nicht verwunderlich, dass Eltern sich wünschen, dass ihr Kind besserer Noten schreibt. Und absolut nachvollziehbar, dass sie hierfür erwarten, dass das Kind mehr Engagement zeigt, sich besser auf den Unterricht vorbereitet und insgesamt mehr für die Schule tut. Nur mit der Erwartung ist es aber nicht getan. Auch die Aufforderung an das Kind, mehr zu lernen, fruchtet normalerweise nicht viel, was die meisten Eltern auch schon erfahren durften.

Weitaus wichtiger ist es, erstmal in die Ursachenforschung zu gehen. Was sind die Gründe dafür, dass das Kind nicht für die Schule lernen will oder kann? Welche Gefühle dominieren beim Kind? Hat es Angst? Wenn ja, wovor hat es Angst? Steht es unter Druck? Fühlt es sich hilflos? Überfordert? Unterfordert? Oder liegt das Problem vielleicht nur bei euch Eltern und das Kind ist völlig zufrieden mit seinen Leistungen und der Schule?

Lernverweigerung oder Motivationstief?

Worüber sprechen wir überhaupt, wenn wir einem Kind nachsagen, es würde nicht lernen wollen? Immer mal wieder erlebe ich hier deutlich unterschiedliche Auffassungen bei Kindern und Eltern. Manch ein Kind fährt einen eher minimalistischen Kurs in der Schule und ist mit Vieren in den Prüfungen vollauf zufrieden, während die Eltern deutlich höherer Erwartungen haben. Das führt nicht selten zu einem Konflikt und familiärem Stress.

In den vielen Fällen ist es jedoch so, dass den Eltern eine Veränderung auffällt: Das Kind tut nun weniger, als noch vor wenigen Wochen. Die Noten waren deutlich besser, aber rutschen aktuell ab. In dieser Situation lohnt es sich wirklich nochmals genauer hinzusehen und vor allem auch mit dem Kind ins Gespräch zu gehen. Die meisten Kinder können recht gut beschreiben, was in ihnen vorgeht, wenn man ihnen offen und wertfrei zuhört.

Im extremsten Fall handelt es sich wirklich um eine Lernverweigerung: bestimmte Umstände und Personen machen es dem Kind unmöglich, sich auf Schule und schulische Inhalte einzulassen. Insbesondere wenn auch ausgeprägte Schul- oder Prüfungsangst hinzukommen, ist es höchste Zeit etwas zu unternehmen.

In den meisten Fällen handelt es sich jedoch viel eher um ein vorübergehendes Motivationstief. Hier hilft es meist mehr, wenn wir Eltern einfach mal locker lassen und Druck vom Kind nehmen.

Ist mein Kind faul?

Fehlende Motivation und Lernunlust werden von den Eltern im Gespräch häufig als “Faulheit” bezeichnet. Eltern, die tagtäglich gewissenhaft ihrer Arbeit nachgehen, sehen das natürlich nicht wertfrei, sondern es schwingt immer ein gewisser Vorwurf mit in diesem Satz “Meine Kind ist faul.” Das Kind sollte lieber fleißig sein, dann wäre alles gut, so die Idee dahinter.

Nur was vermittelt wir einem Kind mit solchen Aussagen? Indirekt sagen wir ihm: Du bist nicht gut, wie du bist. Du sollst anders sein. Deshalb plädiere ich ganz dringend für eine anderer Sichtweise. Vielleicht interessiert sich ein Kind nicht für bestimmte Inhalte. Oder es fehlt ihm der Sinn in den schulischen Aufgaben. Möglicherweise geht es auch schlicht um Selbstbestimmung und Autonomie, die in der Schule nur mühsam zu erreichen sind.

Am schlimmsten trifft der Vorwurf der Faulheit natürlich Kinder und Jugendliche, die tatsächlich viel arbeiten und lernen, aber dennoch nicht die Ergebnisse erzielt, die sie und vor allem die Eltern sich wünschen. Die Bemühungen dieser Kinder werden nicht gesehen und sie lernen somit, dass nur die Ergebnisse zählen. Das setzt sie unter einen riesigen Druck, der in aller Regel nicht hilfreich ist.

Wie Leistungsdruck und Erwartungen schaden

Nicht wenige Kinder stehen unter einem enormen Druck, sowohl durch die Schule selbst, als auch durch Eltern, die hauptsächlich auf die Noten schauen und sonst meist wenig Einblick haben, was in der Schule los ist. Alles was zählt, sind gute Noten, so kommt es zumindest beim Kind an. Am Schlimmsten ist das natürlich, wenn es diese Haltung sowohl bei den Lehrern als auch bei den Eltern erlebt.

Das Kind weiß also, dass es eine gute Note schreiben muss, wenn es irgendeine Form der Anerkennung erzielen möchte. Manchmal wird dieser Druck so groß, dass es in der Prüfungssituation nur an die Note denken kann und deshalb keine Erinnerung mehr an die Inhalte hat. Was dann passiert ist klar: es kann sein Wissen nicht abrufen, die Note wird gerade nicht so gut und in der nächsten Prüfung steht das Kind unter noch größerem Druck.

Übermäßiger Leistungsdruck kann so zu einen gefährlichen Teufelskreis werden: mit zunehmendem Druck werden die Leistungen schlechter, was dazu führt, dass der Druck immer größer wird, wodurch erst recht keine Leistungen mehr erbracht werden können. Oft sind die Kinder oder Jugendlichen sogar hervorragend vorbereitet und können mehr als die meisten ihrer Mitschüler*innen. Dennoch blockieren sie in der Prüfung und bekommen zunehmend das Gefühl, nicht gut genug zu sein und den Anforderungen einfach nie genügen zu können.

Wie Gefühle die Motivation blockieren können

Den Anforderungen nicht genügen zu können, führt regelmäßig zu einem Verlust von Selbstvertrauen und Selbstwert. Nicht nur Kinder verlieren den Glauben in sich und ihre Fähigkeiten, wenn Sie von außen immer wieder gespiegelt bekommen, dass nichts, was sie tun, gut genug ist. Dafür ist gar nicht erforderlich, dass Eltern ihre Zuneigung wirklich von schulischen Leistungen abhängig machen. Es reicht, wenn die Kinder es so empfinden.

Das ist auch der Grund, warum Schimpfen und Sanktionen sehr oft keinen Effekt zeigen, sondern eher dazu führen, dass ein Kind noch schlechter in der Schule wird und vor allem auch weniger tut. Der Lerneffekt dabei läuft so ab, dass das Kind sich anfangs wirklich bemüht besserer Noten zu schreiben. Wenn das nicht funktioniert und nur das Ergebnis bewertet wird, aber nicht sie Bemühungen, gibt das Kind auf.

“Ich kann das eh nicht”, “Ich bin zu doof dafür”, “Das wird nie was”, das sind dann die Überzeugungen, die sich beim Kind festsetzen. In dieser Situation nicht noch mehr Eifer ins Lernen zu stecken, ist nicht nur nachvollziehbar, sondern dient auch dem Selbstschutz. Es ist also sogar eine gesunde Reaktion. Denn alles andere würde das Maß an Enttäuschung und Frustration noch weiter erhöhen.

Die Rolle der Eltern

Die meisten Eltern wollen in erster Linie, dass es ihren Kindern gut geht. Im Stress des Alltages geht der Bezug zu diesem Wunsch jedoch häufig verloren. Plötzlich scheint es am wichtigsten, dass regelmäßig Vokabeln gelernt werden, der Klavierunterricht immer gut vorbereitet wird, und dass die Noten stimmen.

Eltern haben eine Idee davon, was für ihre Kinder am besten ist und versuchen diese Idee umzusetzen. So lange die Kinder klein sind, funktioniert das meist noch recht gut und bestätigt die Eltern in ihrer Vorstellung. Mit der Zeit entwickeln Kinder aber eigene Vorstellungen, was sei tun wollen und was ihnen wichtig ist. Wenn diese Wünsche nicht genug Raum bekommen, führt das zu Konflikten.

Speziell an schulischen Themen, insbesondere an Noten, eskalieren diese Konflikte oftmals. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist zunehmend belastet. Eltern bauen bewusst oder unbewusst immer größeren Druck auf. Die Kinder entziehen sich oder gehen in die offene Konfrontation. Egal, was die ursprünglichen Absichten waren, an diesem Punkt ist die Situation oft so verfahren, dass man ohne externe Unterstützung nicht mehr herausfindet.

Was hilft nun wirklich

Eltern müssen dieser Abwärtsspirale keinesfalls hilflos zusehen. Wenn Schwierigkeiten in der Schule auftreten, ist es wichtig, dass die Eltern da sind, Verständnis zeigen und Unterstützung anbieten. Dazu gehört, nicht die eigenen Ängste und Sorgen auf das Kind zu projizieren, sondern offen, empathisch und wertfrei die Perspektive des Kindes anzuerkennen. Außerdem braucht jedes Kind und jeder Jugendliche die Sicherheit, von den Eltern geliebt zu werden, unabhängig von Leistung und Noten.

Für die meisten Eltern bedeutet das, etwas locker zu lassen, sich selbst zu reflektieren und sich zu erinnern, dass Schule nicht das Wichtigste im Leben ist. Viele Kinder wünschen sich durchaus Unterstützung. Diese können sie aber viel besser annehmen, wenn sie als Angebot kommt, nicht als Verpflichtung.

Geh ins Gespräch mit deinem Kind und versuche wirklich herauszufinden, was für das Kind am besten ist. Geh nicht davon aus, dass du das bereits weißt!

Wenn die Situation bei euch sehr verfahren ist, du feststellst, dass dich das alles sehr belastet oder du einfach nicht den richtigen Zugang findest, dann kann es sehr hilfreich sein, wenn du dir Unterstützung holst, sei es für dich oder für dein Kind,

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