Wenn das so einfach wäre …
Konzentrationsprobleme sind heute ein flächendeckendes Problem.
Nach den Schulschließungen in den vergangenen Jahren sind viele Schüler die Geräuschkulisse und größere Gruppen in dem Ausmaß nicht mehr gewohnt. Auch wenn das heute wieder „normal“ ist, hat sich die Konzentration nicht erholt, da es keine flächendeckenden Konzepte in den Schulen dafür gab und gibt.
Das ist bis heute in den Auswirkungen sichtbar.
Die schnelllebige und hektische Welt mit Tiktok, Netflix usw. macht das Problem nicht kleiner.
Das Problem daran ist: Konzentration, insbesondere die visuelle und auditive Konzentration, ist eine notwendige Voraussetzung für das Lernen.
Wie äußern sich Konzentrationsprobleme?
Zum einen gibt es offensichtliche, leicht erkennbare Merkmale.
Dazu gehören Ablenkung, Schwierigkeiten den Fokus zu halten, häufige Aktivitätenwechsel und auch das Rumzappeln.
Weniger bekannt sind die versteckteren Merkmale, die nicht sofort mit Konzentration in Verbindung gebracht werden. Dazu zählen wenig Motivation, kurze Ausdauer, schnelles Ermüden, geringe Frustrationstoleranz, ein unordentlicher werdendes Schriftbild, Flüchtigkeitsfehler, Inhalte werden schnell vergessen und auch innere Unzufriedenheit.
Wie kann man an Konzentration arbeiten?
Es gibt leider nicht DEN EINEN Trick, mit dem sich Konzentration von heute auf morgen verbessern lässt, sondern es ist ein Zusammenspiel von vielen unterschiedlichen Einflussfaktoren, die mit der Zeit eine große Veränderung bewirken.
Ich vergleiche Konzentration gerne mit einem Baum.
Ein Baum blüht nur dann in voller Pracht, wenn viele verschiedene Faktoren stimmen.
Der Boden muss gut und nährreich sein.
Die Wurzeln müssen stabil und gesund sein.
Der Stamm muss kräftig und gesund sein.
Und schließlich müssen auch in der Baumkrone die Äste gesund und intakt sein, damit der ganze Baum blühen kann.
Und genauso ist es bei der Konzentration.
Der Boden
Wie beim Baum beginnt alles mit dem guten Nährboden. Bezogen auf Konzentration sind das die Rahmenbedingungen.
Zu den Rahmenbedingungen zähle ich vier Faktoren, die betrachtet werden können.
- Schlaf und Schlafqualität
Schlafmangel und schlechter Schlaf wirken sich negativ auf die Leistungsfähigkeit, Merkfähigkeit und Konzentration aus. Daher ist es wichtig, dass der Schlaf in der Dauer ausreichend und von hoher Qualität ist.
- Belastung durch Krankheit
Krankheit, auch wenn es “nur” Husten oder Schnupfen ist, belastet den ganzen Körper. Der Körper arbeitet in dieser Zeit mit Höchstleistung an dem Gesundwerden. Für Lernen und Konzentration sind da schlichtweg keine Reserven mehr da.
- Nährstoffversorgung und unbekannte Krankheiten
Dieser Faktor wird am meisten unterschätzt. Wenn die Nährstoffversorgung nicht ausreichend ist, ist der Körper nicht mehr leistungsfähig. Darüber hinaus schlummern manchmal Infekte in uns, die im Außen noch nicht sichtbar sind, aber in der Auswertung des Blutes durchaus schon erkennbar sind.
- Überreizung
Digitale Mittel wie iPad, Mobiltelefon usw. sind grundsätzlich nützlich und hilfreich.
Aber es hat natürlich auch seine Schattenseiten.
Denn durch das Flackern und Flimmern entsteht im Gehirn schnell eine enorme Überreizung.
Überreizung und Konzentration sind keine gute Kombination.
Keine Sorge, ich möchte nicht, dass wir alles Digitale verbannen.
Das Ziel sollte sein, dass Konzentration auch unter diesen Reizen wieder möglich wird. Aber auf dem Weg dahin kann es sinnvoll sein, für eine Weile Überreizungen deutlich zu reduzieren, Konzentration aufzubauen und die Reize dann wieder schrittweise mit dazu zunehmen,
Die Wurzeln
Kommen wir zum nächsten Bereich, den Wurzeln. Bezogen auf Konzentration sind damit die Grundlagen gemeint. Eine der wichtigsten Fragen ist hier:
Ist Konzentration wirklich die Ursache?
Die Frage ist ungewöhnlich, aber unglaublich wichtig.
Lass es mich erklären.
Die Frage, die dahintersteckt, ist im Grunde:
Ist ein Flüchtigkeitsfehler wirklich ein Flüchtigkeitsfehler, oder ist es falsch gelerntes Wissen?
Hierzu ein Beispiel.
Ein Kind macht viele Rechenfehler.
Liegt das nur an der Konzentration oder beherrscht es das Einmaleins nicht sicher? Vielleicht hat es sogar einzelne Malaufgaben mit der Zeit falsch gelernt.
Wenn eine bestimmte Art von Flüchtigkeitsfehlern immer wieder auftritt, kann es auch sein, dass Wissen nicht richtig gelernt ist.
Falls du dir nicht sicher bist, gehe immer davon aus, dass das Wissen nicht richtig gelernt wurde.
Zum Bereich der Grundlagen gehören noch die Faktoren Überforderung und Unterforderung, auf die ich hier nicht weiter eingehen werde.
Der Stamm
Kommen wir nun zum Baumstamm, also der Vorbereitung.
Abhängig von der Situation und dem Umfeld fällt Konzentration leichter oder schwerer. Gerade am Anfang sollte man es sich im Außen so einfach wie möglich machen. Dazu findest du nun einige Ansatzpunkte.
1. Der Arbeitsplatz
Der Arbeitsplatz setzt schon einen großen Rahmen für Konzentration.
Wenn es aufgeräumt ist und ich strukturiert bin, dann ist konzentriertes Arbeiten und Lernen leichter möglich. Daher sollte der Arbeitsplatz möglichst leer sein, um die Ablenkung gering zu halten. Eine schnelle Lösung kann sein, alles Unnötige in eine Kiste zu packen und unter oder neben den Schreibtisch zu stellen.
2. Das Material
Sorgt dafür, dass dein Kind vor dem Lernen das benötigte Material herausgelegt hat. Hilfreich kann eine kleine Checkliste sein, mit der sich dein Kind im Vorfeld alles Wichtige zusammensuchen kann.
3. Die Routine
Eine Routine wirkt langfristig und sorgt auf Dauer dafür, dass ein Kind in einen konzentrierten Zustand kommt, sobald es die Routine durchgeht.
Dein Kind kann die Routine vor Hausaufgaben, vor dem Lernen und vor Prüfungen anwenden und üben. Wichtig ist, dass die Routine für dein Kind passt und gut machbar ist.
Die Baumkrone
Zu guter Letzt betrachten wir noch die Baumkrone, also das eigentliche Training.
Hier gibt es eine ganze Reihe an Möglichkeiten.
Bevor wir uns diese anschauen, lass uns kurz über Fehler sprechen.
Konzentrationsschwierigkeiten werden oft auch durch Fehler sichtbar, deshalb ist ein geschickter Umgang damit sehr wichtig. Ich empfehle, dass ihr bei richtigen Dingen einen grünen Haken dran macht (das kann dein Kind auch gerne selbst machen) und bei den falschen Sachen macht ihr eine kleine Lupe dran. Auf diese Aufgaben „schaut ihr noch mal drauf“.
Kommen wir nun also zu den Trainingsmöglichkeiten.
1. Denksportaufgaben
Denksportaufgaben wie Malen nach Zahlen, Zahlen verbinden, Kreuzworträtsel, Memory-Spiele und auch Mandalas malen fördern den Fokus und trainieren damit grundlegend die Konzentration.
2. Bewegung
Der Mensch ist grundsätzlich auf Bewegung ausgerichtet. Lange und still sitzen ist daher weder gut noch hilfreich.
Ich kann nachvollziehen, dass in der Schule Bewegung weitgehend unterbunden wird, aber zuhause im Training dürft ihr es anders machen!
Baut immer wieder Bewegungspausen ein. Das Kind kann sich vor dem Lernen, währenddessen (in kurzen Pausen) oder auch danach bewegen. Als Bewegungselemente eignen sich Hampelmänner, Kniebeugen oder auch kleine Sprints. Auch lernen im Stehen ist in Ordnung. Lass dein Kind beim Vokabeln lernen im Zimmer auf und ab laufen. Nutzt Bewegung, um das Lernen zu erleichtern. Je mehr Bewegung ihr einbaut, desto leichter fällt später auch das Stillsitzen.
3. Bewusste Pausen
Baut bewusst Pausen ein, wenn die Konzentration nachlässt. Am Anfang könnt ihr auch mit einer Stoppuhr arbeiten oder eine bestimmte Anzahl an Aufgaben festlegen.
Wenn die Probleme mit Konzentration sehr groß sind, sollten die „Arbeitsphasen“ zu Beginn recht klein (z. B. 2 Aufgaben oder 5 Minuten) sein. Mit der Zeit könnt ihr die Anzahl der Aufgaben oder die Dauer steigern.
Gute Elemente für die Pause sind Bewegung, an die frische Luft gehen oder Mandalas ausmalen.
4. Zeitfenster
Jeder Mensch hat ein Zeitfenster am Tag, in dem die Konzentration leichter fällt. Das ist das ideale Zeitfenster.
Versucht grob dieses Zeitfenster herauszufinden.
Darüber hinaus gibt es in der Regel das Zeitfenster der Prüfung.
Es kann sein, dass das ideale Zeitfenster eines Kindes nachmittags ist und die Prüfungen vormittags sind. Dann wird in der Prüfung die Konzentration deutlich schwächer sein, zumindest wenn man diesen Aspekt nicht trainiert.
Wenn die beiden Zeitfenster voneinander abweichen, dann solltet ihr am besten in beiden Zeitfenstern trainieren.
Das ideale Zeitfenster könnt ihr nutzen, um Routinen zu erarbeiten, Inhalte zu lernen, und die Grundkonzentration zu trainieren.
Das Zeitfenster der Prüfung solltet ihr nutzen, um auf der verbesserten Grundkonzentration auch in diesem Zeitfenster die Konzentration zu verbessern.
Das ist eine Übungssache. Allerdings wird es am Anfang wieder etwas fehleranfälliger.
5. Wechselaufgaben
Wechselaufgaben sind ein inhaltliches Training.
Dabei geht es darum, verschiedene Aufgaben im Wechsel durchzuführen.
Nehmen wir als Beispiel das Lernen von Englisch-Vokabeln.
Wechselaufgaben wären hier, dass du für die erste Vokabel das englische Wort vorgibst und für die zweite Vokabel das deutsche Wort.
Und das eben immer im Wechsel.
Auch bei Wechselaufgaben wird es am Anfang wieder etwas fehleranfälliger.
6. Umfeld variieren
Wenn sich die Konzentration in einem ruhigen, sicheren Umfeld verbessert hat, könnt ihr mit der Vorbereitung auf das Prüfungsumfeld anfangen. Denn das Prüfungsumfeld ist in der Regel nicht ruhig und leise, sondern unruhiger und lauter.
Dafür könnt ihr zum Beispiel nebenher recht laut das Radio laufen lassen, das Licht mal dunkler und mal heller einstellen, die Uhrzeit variieren, digitale Reize wieder dazu nehmen, usw.
Auch hier wird es bei den ersten Variationen zunächst wieder fehleranfälliger.
Du hast jetzt viele Möglichkeiten und Stellschrauben kennengelernt, mit denen Konzentration verbessert werden kann.
Wie fangt ihr jetzt am besten an?
Fangt nicht mit allem an.
Hier gilt: Weniger ist mehr.
Sucht euch zwei oder drei Aspekte aus und setzt diese um. Mit der Zeit könnt ihr immer mal wieder einzelne Aspekte dazu nehmen oder austauschen.
Ich wünsche euch viel Erfolg beim Erarbeiten der Konzentration.
Die Autorin
Daniela Loebnitz ist Mathetrainerin und Expertin auf dem Gebiet des Lernens. Sie macht Kinder stark für die Zukunft, indem sie ihnen hilft, Vertrauen in Ihre Fähigkeiten zu entwickeln und Freude am Lernen zu finden. Mit großer Leidenschaft erarbeitet sie mit den Kindern mathematischen Themen und hilft ihnen, insgesamt besser zu lernen.
Mehr zu Daniela und ihrer Arbeit findest du unter https://www.daniela-loebnitz.com


