Titel - Unsere Gründungsgeschichte; Inhalt - Schild mit der Aufschrift "Love to Learn"

Weshalb ich die Holistische Lernwerkstatt gegründet habe

“Dann gründe doch was eigenes”, war zwar der eine Satz, der schlussendlich den Ausschlag gegeben hat. Vorangegangen waren jedoch eine Menge Erfahrungen in verschiedenen Schulen und Hochschulen und vor allem die Erkenntnis, dass Lernen für jeden Menschen funktioniert und dieser auch Freude dabei erleben kann.

Unser Umzug von Berlin nach Bayern

Vielleicht fing wirklich alles damit an, dass wir mit drei schulpflichtigen Kinder von Berlin nach Oberbayern gezogen sind. Vielleicht waren wir auch wirklich naiv, dass wir uns zwar in Berlin eine Menge Gedanken über geeignete Schulen für die Kinder gemacht hatten, aber plötzlich meinten, es würde schon passen, sie an den örtlichen Schulen anzumelden.

Die beiden jüngeren sollten einfach die Grundschule am Ort besuchen, so dachten wir uns das. Wirklich Alternativen in unmittelbarer Nähe gab es sowieso nicht und schließlich gingen alle Kinder in diese Schule. Dort würden sie am schnellsten Anschluss finden. Und außerdem sei das bayerischen Schulsystem doch eh so gut – zumindest konnte man das von vielen Seiten hören.

Der Älteste wollte endlich ans Gymnasium. In Berlin hätte er noch ein Jahr warten müssen, bis nach der sechsten Klasse. In Bayern konnte er das gleich realisieren. Und natürlich wollte er nicht wieder in die 5. Klasse zurückgehen, sondern einfach mit der 6. Klasse weitermachen, auch wenn das bedeutete, dass er eine Aufnahmeprüfung machen musste.

Die Suche nach Verständnis

Vielleicht hätte ich es zu diesem Zeitpunkt schon wissen können, dass wir uns schulisch keinesfalls verbessern würden. Vielleicht hätte ich die verschiedenen, wirklich mühsamen Gespräche an den Schulen einfach ernster nehmen und das ganze Umzugsvorhaben an diesem Punkt schon abblasen sollen.

So nahm das ganze Vorhaben jedoch seinen Lauf. Der Große bestand seine Aufnahmeprüfung, trotz fehlender Unterstützungsbereitschaft oder Fähigkeit der Schule. Wir zogen in unser neues Haus und nach extra langes Sommerferien begann für die Kinder eine neues Schuljahr an ganz neuen Schulen.

Nach wenigen Wochen sagte die 7-jährige zu ihrer Lehrerin, dass sie sich abgewertet fühle von ihr, und ein anderes, freieres Lernen gewohnt sei. Als Antwort bekam sie nur noch mehr Druck und die Aussage, dass das hier nun mal so sei. Wenn sie sich nicht anpassen könne, sei sie wohl falsch in diesem System.

Die Suche nach alternativen Schulen

Wenig verwunderlich verweigerte die Kleine bald jegliches schulische Lernen. Der Mittlerer fokussierte sich schnell nur noch auf seine neuen Freunde und versuchte den Unterricht möglichst von sich fern zu halten. Nach anfänglicher Euphorie endlich Gymnasiast zu sein, setzte dann bald auch beim Großen eine gewaltige Ernüchterung und Demotivation ein.

Die Kinder waren in eine System geworfen worden, was sie in dieser Starrheit und Unflexibilität nicht kannten. Und auch ich, die ich selbst in diesem System groß geworden war, fühlte mich völlig überfahren von dem geringen Handlungsspielraum und der völlig fehlenden Mitbestimmungsmöglichkeiten für Kinder und Eltern.

Dass es so nicht weitergehen konnte war schnell klar. Zumindest für die Jüngste musste zügig eine Alternative aufgetan werden, denn Veränderung war an dieser Stelle nicht zu erwarten. So begaben wir uns auf die Suche nach alternativen Schulen. Aber auch das gestaltete sich in Bayern sehr schwierig, da es nur wenige dieser Schulen gibt.

Was die Kinder bereits mitgebracht hatten

Unsere Kinder brachten eigentlich die besten Voraussetzungen mit, für schulischen Erfolg und für einen guten Schulabschluss. Alle drei waren sehr interessiert an einer Vielzahl von Themen. Sie konnten sich gut ausdrücken, waren fix im Kopfrechnen und hochmotiviert sich Wissen anzueignen.

Der Große hatte zudem bewiesen, dass er sich erfolgreich auf eine Aufnahmeprüfung am bayerischen Gymnasium vorbereiten konnte, sogar ohne dass er vorab irgendwelche Kenntnisse über das Format bekommen hätte. Ja, die Kinder wussten bereits eine Menge und waren gut in der Lage, sich selbstständig etwas beizubringen.

Was die Kinder jedoch nicht konnten und noch weniger wollten, war, sich vorschreiben zu lassen, was sie zu einer gegebenen Zeit zu lernen hatten. Noch schlimmer war es, dass man ihnen auch vorschrieb, auf welche Weise sie zu lernen und Aufgaben zu bearbeiten hätten. Vor allem in der hiesigen Grundschule fanden wir diese Haltung sehr stark ausgeprägt.

Wie Schule auch sein kann

Ganz anders war das an den freien Schulen in Berlin, die unsere Kinder besucht hatten: hier bekamen sie die Möglichkeit, sich überwiegend mit den Themen zu beschäftigen, die sie gerade spannend fanden. Zwar gab es durchaus gemeinsame Projekte und Angebote, jedoch beim es jedem Kind weitgehend freigestellt, was es davon nutzen wollte.

Dafür mussten sich jedes Kind bewusst werden, was es wirklich tun wollten und sich im Anschluss auch selbst organisieren. Selbstverständlich waren sie dabei nicht komplett auf sich allein gestellt. Es waren immer Lernbegleiter ansprechbar, die unterstützen konnten. Primär lag es jedoch in der Verantwortung jedes einzelnen Kindes, zu entscheiden, was es auf welche Weise lernen wollte.

Die Kinder lernen auch an diesen Schulen lesen, schreiben und rechnen, nur eben nicht auf eine festgelegte Art und auch nicht im gleichen Tempo. Wann mein mittlere Sohn z.B. lesen gelernt hat, weiß ich nicht. In meiner Wahrnehmung las er plötzlich ganze Bücher, ohne dass er sich jemals vorher damit beschäftigt hätte.

Wie Lernen funktioniert

Wie wir selbst erlebt hatten, muss Schule keinesfalls über Notendruck und Selektion die Kinder zum Lernen zwingen. Kinder lernen von sich aus gern und interessiert, nur eben nicht alle zur gleichen Zeit die gleichen Themen. Diese intrinsische Motivation kann sich jedoch nur entfalten, wenn sie nicht von außen gehemmt und unterdrückt wird.

Viele reformpädagogisch orientierten Schulen, ebenso wie einige moderne Studiengänge, z.B. die Reformstudiengänge Humanmedizin, wo ich das auch erleben konnte, bauen sehr erfolgreich auf die intrinsische Motivation der Lernenden. So werden diese selbst aktiv und erarbeiten sich die Inhalte, teils allein, teils in der Gruppe und teils mit Unterstützung eines fachlichen Experten, in ihrem Tempo, auf ihre Weise.

Kinder wie Erwachsenen lernen am besten in einer entspannten und gelassenen Atmosphäre. Am schädlichsten für den Lernerfolg sind Stress und Angst. Diese Empfindungen sind jedoch sehr vorherrschend in unseren regulären Schulen, hervorgerufen vorrangig durch unangekündigten Leistungsnachweise, Notendruck und mündliche Abfragen vor der gesamten Klasse.

Lernen ist ein aktiver Prozess, der nicht von außen erzwungen werden kann, sondern differenzierte Selbststeuerung erfordert. Gleichzeitig greift es viel zu kurz, einem Schüler, der unvorbereitet im Unterricht sitzt, Faulheit vorzuhalten. Für viele Kinder und Jugendliche sind die Rahmenbedingungen, die sie in den Schulen vorfinden, denkbar ungeeignet, um effektives Lernen überhaupt zu ermöglichen.

Selbstbestimmung als Basis von allem

Abhängig unter anderem von Persönlichkeitsstruktur, Wahrnehmungstyp und Entwicklungsphase, funktioniert Lernen für jedes Kind nach anderen Gesetzmäßigkeiten. Kein Kind ist genau wie ein anderes und jedes Kind bringt zudem ganz unterschiedlichen Erfahrungen und Erlebnisse mit. Es sollte also vollkommen offensichtlich sein, dass “Lernen im Gleichschritt” nicht funktionieren kann.

Einen “Nürnberger Trichter” oder eine ähnliche Vorrichtung, durch die man Wissen einfach in einen Lernenden hineinkippen könnte, gibt es nunmal nicht. Auch haben Leistungsunterschiede wenig mit der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu tun, da das Lernen selbst eine aktive Tätigkeit ist, die geübt, geliebt oder auch verweigert werden kann.

So wie jeder von uns bestimmte Vorlieben beim Essen hat, so hat auch jeder bevorzugte Arten der Wissensaneignung. Mit manchen Speisen und Zubereitungsformen werden ich nie warm werden, auch wenn ich sie immer wieder probiere. Fürs Lernen gilt das in ähnlicher Weise: effektives und freudvolles Lernen wird möglich, wenn der Lernende selbst die Kontrolle und Entscheidung über den Prozess hat.

Schule kann ich so schnell nicht verändern

Schnell wurde mir klar, dass es nicht nur meine Kinder waren, die vergeblich gegen die Fremdbestimmung in den Schulen ankämpften, so wie Don Quijote gegen die Windmühlen. Viele Kinder und Jugendliche haben nicht das Gefühl, selbst aktiv werden zu können. Oft fühlen sie sich sogar hilflos und in ihren Bedürfnissen nicht wahrgenommen.

“Schule ist halt so” ist dann meist die resignierte Antwort von allen Seiten, schließlich kennt man es nicht anders. Jeder entwickelt eine Strategie, um mit der Situation umzugehen, nur allzu oft ist diese Strategie nicht sehr hilfreich. Gerade im Teenageralter ist die Strategie häufig damit verbunden, sich dem Druck möglichst zu entziehen und emotional abzuschotten.

In der Folge werden die Note schwächer und das Selbstvertrauen auch. Manch ein Jugendlicher verlässt schließlich die Schule, nicht weil es das ist, was er wirklich möchte, sondern weil es die einzig logische Konsequenz zu sein scheint. Dabei ist es nicht so, dass die Jugendlichen nicht lernen könnten oder wollten. Das Problem ist, dass sie nicht wissen, wie das für sie funktionieren kann.

Eine andere Art von Schule, in der individuelle Lernwege, Stärkenorientierung und persönliche Förderung ganz selbstverständlich dazugehörten, würde hier schnell Abhilfe schaffen. Solang das aber nicht der Lebensrealität der meisten SchülerInnen entspricht, gilt es, den vorhandenen Gestaltungsspielraum auszuloten und hilfreiche Strategien zu entwickeln.

Ein Nachhilfeinstitut vielleicht?

Die naheliegende Lösung für schulische Problemen, scheint grundsätzlich “Nachhilfe” zu lauten. Tatsächlich hatte auch ich über die Gründung eines Nachhilfeinstituts nachgedacht. Nachhilfe allein sollte es jedoch nicht sein. Vielmehr wollte ich von Anfang an dazu beitragen, dass junge Menschen mit Freude lernen können und außerdem entdecken, welche Lernfähigkeiten in ihnen stecken.

Ich wollte SchülerInnen und Studierenden dabei unterstützen, das Lernen zu lernen, Schulstress abzubauen und Prüfungsängste möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen. Die angeborenen Freude am Lernen und Entdecken sollte so wieder an die Oberfläche gebracht werden, damit lebenslanges Lernen nicht Frust bedeutet, sondern echte Lust und Motivation.

Nachhilfe hingegen arbeitet der Schule hinterher. Der gleiche Stoff wird auf die (fast) gleiche Weise nachbereitet. Neue Lust, neue Motivation, neue Herangehensweisen entstehen dabei nicht. Auch weiß ein Schüler hinterher immer noch nicht besser, wie er sich den Stoff selbst aneignen könnte.

Warum gründest du nicht was ganz eigenes?

Für mich war klar, dass es einen ganzheitlicheren Ansatz braucht, mit individuellem Lerncoaching, persönlicher Lernbegleitung und gezieltem Methodentraining. Von jahrelanger Nachhilfe profitieren schließlich nur die NachhilfelehreInnen und die Institute, nicht aber die Jugendlichen.

Mit geeigneten Strategien und der passenden Lerntechnik erarbeiten sich SchülerInnen eine Sammlung an Werkzeugen, die ihnen einen erfolgreichen Umgang mit alle aktuellen und zukünftigen Lernherausforderungen ermöglichen. Sie erlangen somit mehr Selbstbestimmung und erfahren einen größeren Entscheidungsspielraum.

Deshalb habe ich die holistischen Lernwerkstatt gegründet. Mit unserem ganzheitlichen Ansatz tragen wir dazu bei, dass kein Kind und kein Jugendlicher mehr das Gefühl bekommt “nicht richtig für die Schule zu sein”. Unser Ziel ist es dabei, dem Schul- und Lernstress ein Ende zu bereiten, innerhalb des Systems, aber auch durch Veränderung des Systems.

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