Titel - Lernen unter Druck, wie sinnvoll ist das; Inhalt - junge Frau beißt auf ihren Stift

Lernen unter Druck – wie sinnvoll ist das?

Um das Lernen unter Druck ranken sich viele Mythen. Immer wieder hört man von Menschen, die durchaus nicht unerfahren sind, dass sie nur unter Druck richtig gut lernen können. Die Wissenschaft hat das aber längst als Mythos widerlegt. Zeitdruck und auch anderer Druck, setzen uns unter Stress. Wir können uns schlechter konzentrieren und weniger Wissen aufnehmen.

Dennoch lernen viele Menschen immer erst kurz vor einer anstehende Prüfung. Sogenanntes Bulimielernen – möglichst viel Wissen in ganz kurzer Zeit aufnehmen, um es dann bei der Prüfung wiedergegeben zu können – ist schon unter SchülerInnen üblich und im Studium dann schon beinahe Standard.

Wieso machen wir Menschen das dennoch so, wenn es doch fürchterlich anstrengend und nachweislich nicht die effektivste Methode ist? Das werde ich in diesem Beitrag beleuchten und auch Alternativen aufzeigen. Außerdem gibt es einige Tipps, wie man das Beste rausholt, wenn die Zeit für die Prüfungsvorbereitung wirklich zu knapp wird.

Unter Druck lernt man besser?

Der Mythos hält sich hartnäckig: Lernen unter Druck ist am besten; erst kurz vor der Prüfung läuft man zur Höchstform auf; und überhaupt hat so ein bißchen Druck noch nie geschadet.

Tatsache ist jedoch, dass wir Menschen am besten lernen, wenn wir mit dem Lernen und der gesamten Situation positive Gefühle verbinden. Wir lernen am schnellsten und am effektivsten, wenn wir uns in der Lernsituation wohlfühlen. Das gilt für Kinder genauso wie für Erwachsene.

Leichter Stress stehen dem effektiven Lernen also nicht im Wege. Großer Druck setzt uns allerdings unter starken Stress. Dieser dient unserem Schutz und macht uns bereit zu fliehen oder anzugreifen. Konzentriert lernen, fokussiert arbeiten oder auch nur ruhig an einem Platz sitzen, fallen uns in diesem Zustand hingegen schwer.

Woher kommt der Druck?

Druck kann verschiedene Ausprägungen und auch Auslöser haben. Meist, wenn wir von Druck sprechen, meinen wir Zeitdruck und / oder Leistungsdruck. Zeitdruck entsteht, wenn viele Aufgaben in relativ wenig Zeit erledigt werden müssen. Dabei kann es sich um eine große Menge Aufgaben aus Schule oder Studium handeln oder auch um eine Kombination aus verschiedenen Verpflichtungen, z.B. privater und beruflicher Natur.

Zeitdruck tritt natürlich auch auf durch Fehlplanung und Prokrastination oder durch Fehleinschätzung des Arbeitsaufwands. Hierdurch entsteht oft zusätzlich Leistungsdruck, vielfach verbunden mit der Angst, die erforderliche Leistung nicht erbringen zu können. Leistungsdruck kann zudem unabhängig vom Zeitdruck auftreten, wenn man entweder sehr hohe Ansprüche an sich selbst hat oder sich von den Anforderungen überfordert fühlt.

Das Problem der Prokrastination

Häufig dient die Behauptung, nur unter Druck lernen zu können, in allererster Linie dem Selbstschutz. Die eigene Prokrastination (“Aufschieberitis”) wird damit gerechtfertigt und rationalisiert: “Ich habe das Lernen gar nicht aufgeschoben, ich mache es immer erst kurz vor der Prüfung, weil das für mich am besten funktioniert.”

Bei genauerem Hinsehen stellt sich allerdings meist heraus, dass der Lernende durchaus ursprünglich den Plan gehabt hatte, früher mit dem Lernen anzufangen, weil ihm bewusst ist, dass er sonst (wieder) unter Druck gerät. Weil Lernen aber unangenehm ist, hat er es eben doch immer wieder vor sich hergeschoben, bis das schlechte Gewissen endlich stärker war als die Unlust.

Prokrastination ist eine Herausforderung mit der sich nahezu jede/r schon einmal oder mehrmals auseinandersetzen musste. Es ist ja auch nachvollziehbar, dass wir uns nicht immer und sofort auf unliebsame Aufgaben stürzen. Sollte bei dir die Prokrastination allerdings so stark ausgeprägt sein, dass sie dich ernsthaft behindert und deine Erfolge gefährdet, solltest du etwas dagegen tun, evtl. auch mit professioneller Unterstützung.

Abwehrreaktionen auf zuviel Druck

Ein weiterer Grund, wieso wir doch immer wieder aufschieben und den Druck so groß werden lassen, ist, dass uns der Erfolg zumindest scheinbar recht gibt. Druck bedeutet Stress und dieser setzt kurzfristig eine Menge Energien frei, die wir nutzen können, um sehr schnell sehr viel zu leisten.

Wenn der Stress aber zu groß wird oder zu lang anhält, kommt es recht bald zu Abwehrreaktionen. Selbst wenn du dir durch deinen Ehrgeiz den Druck ganz allein aufbaust, kann es gut sein, dass sich dein Körper beginnt zu wehren. Noch deutlicher passiert das meist, wenn der Druck von außen kommt.

Typische Abwehrreaktionen auf übermäßigen Druck sind körperliche Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Übelkeit oder auch Schlafstörungen. Spätestens wenn du mehrere oder auch nur einzelne diese Symptome an dir bemerkst, solltest du unbedingt die Bremse ziehen und den Druck, unter dem du stehst, reduzieren.

Mehr Leistung durch weniger Druck

Noch ein weitere sehr gutes Argument gibt es, den Druck zu reduzieren, auch wenn du (bislang) keine Stresssymptome hast: du wirst belastbarer und kannst auf Dauer bessere Leistungen bringen. Denn Lernen wie Arbeiten unter Druck sind sehr anstrengend und kosten unnötig viel Energie. Es ist ein wenig so, als würdest du Fahrradfahren wollen, aber dabei immer die Bremse fest angezogen halten.

Wenn du es schaffst, den Druck und deinen Stress zu reduzieren, lernst du nicht nur leichter, sondern auch angenehmer. Wer entspannt ist, kann neues Wissen besser verknüpfen und viel schneller auch ins Langzeitgedächtnis übernehmen. So musst du insgesamt weniger Kraft und Energie in dein Lernen stecken.

Um neues Wissen zuverlässig speichern und abrufen zu können, sind zudem Pausen essenziell. Wenn du aber unter großem Druck stehst, kommen diese in aller Regel zu kurz. Schon dadurch behinderst du deinen Lernerfolg. Wenn du also weniger Aufwand haben möchtest und / oder bessere Ergebnisse, solltest du unbedingt den Druck reduzieren.

Druck beim Lernen rausnehmen

Die wenigsten Menschen haben bewusst geplant, unter Druck zu lernen – es passiert einfach. Wenn du den Druck also reduzieren möchtest, musst du ihn zuerst als solchen wahrnehmen. Im zweiten Schritt kannst du etwas daran ändern. Mach dir bewusst, woher dein Druck kommt. Ist es primär ein Leistungs- oder ein Zeitdruck?

Zeitdruck kannst du kausal begegnen, indem du an deinen Prioritäten und deiner Planung arbeitest. Am besten erstellst du dir einen schriftlichen Lernplan, in den du auch alle Zeiten einträgst in denen du nicht lernen wirst. Dann verteilst du deine Lernaufgaben auf die Lernzeiten, sodass du immer weißt, wann was dran ist, und erkennen kannst wieviel Zeit du zur Verfügung hast.

Leistungsdruck kann von außen kommen, hat aber immer auch eine innere, persönliche Komponente. Aus irgendwelchen Gründen hast du das Gefühl, den Anforderungen nur unzureichend entsprechen zu können. Hier hilft, wenn du gut reflektierst und aufdeckst, woher dieses Gefühl kommt. So wirst du unrealistische Erwartungen und irrationale Sorgen entlarven können. Lies hierfür auch gern weiter unter “Die besten Tipps gegen Prüfungsangst”

Erfolgserlebnisse generieren

Leistungsdruck baut sich über lange Jahre auf und lässt sich nicht von heute auf morgen wieder ablegen. Als sehr hilfreich hat sich erwiesen, wenn Betroffene Erfolgserlebnisse “sammeln” und damit ihre eigenen Sorgen und Ängste als überzogen erkennen können. Solche Erfolgserlebnisse müssen dabei gar nichts Großartiges sein.

Du kannst Erfolgserlebnisse in verschiedenen Bereichen deines Lebens generieren, z.B. beim Sport oder eine handwerklichen Tätigkeit, aber auch im Studium bzw. der Schule selbst. So kannst du beginnen, eigeninitiativ benotete Leistungen zu erbringen, wo das möglich ist, oder Kurse zu belegen, die dir viel Freude machen.

Wichtig ist, dass du den Fokus auf deine Erfolge und Stärken legst, denn dadurch schulst du deine Wahrnehmung. Am besten dokumentierst du sie auch schriftlich, das wirkt nochmals stärker. Umso mehr du dir deiner Erfolge bewusst bist, umso weniger Grund hast du, zukünftige Erfolge anzuzweifeln. Du setzt dich weniger selbst unter Druck.

Lernen unter Druck – das beste draus machen

Nun ist es aber dennoch so, dass sich Druck, insbesondere Zeitdruck, nicht immer gänzlich vermeiden lässt. Dann heißt es, das Beste daraus machen und die Zeit möglichst optimal nutzen. Das klappt, wenn du nicht in Panik verfällst, sondern dich an all das erinnerst, was auch sonst beim Lernen funktioniert, nur eben etwas komprimierter.

Beginne damit, deine Materialien zu sichten und dir ein realistisches Bild von deinem Lernpensum und der verfügbaren Zeit zu machen. Dann teile deinen Stoff auf die Zeit auf und trau dich bewusst wegzulassen, was nicht so wichtig ist oder wofür deine Zeit nicht mehr reicht. Andere Aufgaben darfst du kurzfristig durchaus vernachlässigen und auf später terminieren. Der Fokus liegt für die kommenden Zeit voll und ganz auf dem Lernen.

Begib dich zum Lernen an einen angenehmen Ort und achte darauf, dass du regelmäßig und ausreichend Pausen machst, denn diese sind nötig, damit sich neues Wissen festigen kann. Vermeide unbedingt Schlafmangel, da dieser zu Konzentrationsschwierigkeiten führt. Versuche wenigstens noch ein bisschen Sport oder Bewegung in deine Tage einzubauen sowie dich ausgewogen zu ernähren, dann geht es dir insgesamt besser.

Druck langfristig reduzieren

Auf lange Sicht fährst du besser, wenn du den Druck beim Lernen und auch in andern Bereichen deines Lebens reduzierst. Natürlich ist es völlig in Ordnung, wenn sich anstrengendere und entspanntere Phasen im Leben abwechseln. Nur sollte der Druck nie zu groß werden und er sollte nicht dein Leben dominieren.

Gerade wenn du sehr vielseitig bist und Wert legst auf deine Flexibilität, solltest du dir angewöhnen, deine größeren Projekte zu planen. Deine Planung darf dabei so flexibel und intuitiv sein, wie dir das gut tut. Wichtig ist nur, dass du einen Überblick über deine Aufgaben und die verfügbarer Zeit bekommst.

Wenn du weißt, welche Situationen dich besonders unter Druck setzen, dann verändere gezielt deine Abläufe und deinen Umgang. Mach dir bewusst, worauf du selbst Einfluss nehmen kannst und tu das. Äußerer Druck wird dir auch später immer wieder begegnen, das kannst du nicht verhindern. Aber du kannst bestimmen, was dieser mit dir macht.

Zusammenfassung

Lernen und Arbeiten unter Druck kennen die meisten Menschen. Vielfach reden wir es uns sogar schön, da wir unterbewusst durchaus wissen, dass wir den Druck zumindest teilweise selbst zu verantworten haben. Die Fakten sprechen aber eine anderer Sprache: Lernen unter Druck ist anstrengend und wenig effektiv.

Klare Prioritäten und sinnvolle Planung können übermäßigen Zeitdruck vermeiden. Gegen Leistungsdruck hilft vor allem ein gutes Selbstvertrauen, das sich durch Fokussierung auf die eigene Stärken und durch Blick auf die eigenen Erfolge gezielt aufbauen lässt.

Lernen funktioniert am besten, wenn wir entspannt sind und Freude dabei empfinden. Das wird durch zu großen Druck jedoch verhindert. Es gibt also eine Menge Sinn, den Druck im eigenen Leben zu erkennen und schließlich abzubauen. Fürs Erste mag das etwas Mehraufwand sein, auf längere Sicht lohnt es sich jedoch immer.

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